(Zwischen-)Bilanz nach 10 Spielwochen
Die Testphase des Classcraft-Projektes solle eigentlich nur von den Oster- bis zu den Pfingstferien dauern, wurde jedochauf Wunsch der Schüler noch verlängert. Letzten Mittwoch war es dann soweit: Wir haben den Abschluss einer Unterrichtseinheit zum Anlass genommen, auch ein Fazit zu unserem Klassenprojekt zu ziehen. In einer anonymen Umfrage schrieben dei Schüler ihre Meinungen, Wünsche, Verbesserungsvorschläge und Kommentare auf; immerhin bekam ich 24 Bögen mit Aufschreiben, die ich im Anschluss an mein persönliches Fazit auszugsweise veröffentlichen werde.
Classcraft aus der Sicht des „Spielleiters“
Der Einstieg in die Deutschdoppelstunden veränderte sich mit dem Projektbeginn: Jede Doppelstunde war der Beamer aufgebaut, das iPad daran angeschlossen und die Classcraft-Übersicht wurde an die Wand geworfen. So konnten die Schüler erstens überprüfen, ob ich alle Eingaben richtig vorgenommen oder etwas vergessen habe. Bei der Tabelle handelt es sich um eine einfache Excel-Tabelle. Da es leider noch keine App o.Ä. für Classcraft gibt, notierte ich mir während des Unterrichts recht genau, welcher Schüler wie oft und wie gut antwortete. Es gab auch Extrapunkte für Gruppenaufgaben oder besonders schwer zu beantwortende Fragen für Einzel“spieler“. Leider führte das manchmal wegen der Zettelwirtschaft zu Komplikationen, vor allem, wenn die Schüler Kräfte einsetzten, die sofort miteinander verrechnet werden mussten.
Das Problem trat vor allem zu Beginn der Stunde auf: Die Tabelle wurde an die Wand geworfen, dann schritten wir zum Ereignis des Tages über. Dazu habe ich einen 100-seitigen Würfel und die Tabelle mit den Ereignissen dabei. Eine „Glücksfee“ darf dann würfeln. Und genau hier wurde es manchmal problematisch. Tauchte beispielsweise ein „Wütender Ritter“ auf, der es mit dem Stärksten pro Gruppe aufnahm und ihm 15 Schadenspunkte zufügte, ging leider sehr viel Zeit für die Spielzüge drauf, bis die Mitstreiter ihre Gruppenkameraden geheilt oder beschützt haben und das fertig notiert und ausgerechnet worden ist. So kam es manchmal vor, dass statt der geplanten 5 Minuten für die Organisation 15 Minuten benötigt wurden. Das drückte mir zunächst etwas aufs Gewissen: Bringt es das, soviel Zeit für das Klassenprojekt zu verwenden? Wär’s nicht besser, die Zeit sinnvoller zu nutzen?
Was hat das alles jetzt gebracht?
Die anfänglichen Zweifel verflogen spätestens dann, als es an die Erarbeitungs- und Vertiefungsphasen beim Buch „Krabat“ ging. Für Arbeitsaufträge gab ich klare Zeitangaben vor und stellte für das Erledigen der Aufgaben Erfahrungspunkte in Aussicht. Je gründlicher ein Team oder eine Gruppe arbeitete, umso mehr Erfahrungspunkte konnten die Gruppen für sich absahnen. Genau hier kommen die Vorteile von Classcraft zum Vorschein: Die Gruppen arbeiteten unheimlich genau mit dem Text. Jeder Abschnitt wurde entsprechend der Aufgabenstellung durchkämmt, abgegrast und untersucht, so dass ich anfänglich bei den Auswertungsphasen überrascht war, wie viel die Schüler gefunden hatten. Ähnlich ging es auch bei kreativeren Aufgaben zu: Rollenbiographien wurden sehr akkurat aus unterschiedlichen Krabat-Kapitel zusammengesetzt und mit viel Freude vorgespielt. Einerseits wurden die Hausaufgaben gründlicher gemacht, weil dadurch sogar Extrapunkte geholt werden konnten, andererseits aber auch, weil ich Schüler, die keine Hausaufgaben gemacht hatten, unserem Klassendrachen (ich hatte jede Stunde eine kleine Schneekugel mit einem feuerroten Fantasy-Drachen dabei) zum Fraß vorgeworfen wurden. Wer starb, musste eine Strafarbeit auswürfeln. Das konnte etwas sein zwischen eine bis drei Seiten abschreiben oder eine bis zwei Stunden nachsitzen. Wer will das schon? Eigentlich niemand. Trotzdem gab es an einem Tag einen heilsamen Schock. Kurz vor den Ferien kamen ziemlich viele Schüler ohne Hausaufgaben. Da fand dann ein Festfressen für meinen Drachen statt, und das war eine einmalige Sache. Danach musste der Klassendrache hungern.
Auf die Schüler hatte es insgesamt eine positive Auswirkung und auch darauf, wie effizient sie die Hausaufgaben und Arbeitsaufträge erledigt haben. Manche Schüler, die vorher eher schwer zum Mitmachen zu bewegen waren, entwickelten einen ziemlichen Ehrgeiz und verbesserten sich um bis zu zwei Noten im Mündlichen. Die Schüler nahmen den Unterricht einfach gewissenhafter wahr, arbeiteten schneller und ergiebiger, die Ergebnisse der Aufgaben fielen umfangreicher aus und selbst an schwierigere Interpretationsaufgaben trauten sich mehr Schüler, mündlich zu deren Lösung beizutragen und so zumindest Teilpunkte abzukassieren. Das fiel besonders auf, da sich hier häufig Schüler einbrachten, die sonst etwas schüchterner oder schwächer sind.
Insgesamt machte es das bei Weitem wieder wett, dass manchmal etwas mehr Zeit zu Beginn der Stunde für Spielzüge und Organisation des Spiels gebraucht wurde, es war auf jeden Fall ein positiver Effekt festzustellen, was mich besonders für die Schüler freut, die sich durch das Spiel getraut haben, etwas aus sich herauszugehen, den Unterricht aufmerksamer zu verfolgen und innerhalb der Gruppe viel taten, um ihre Gruppe bei den Arbeitsaufträgen zu unterstützen, um die begehrten Erfahrungspunkte einzusacken. In der Klasse ist es aber auch ruhiger geworden, da es weniger Ermahnungen und stattdessen gleich Schadenspunkte verteilt wurden.
Ich habe auch gemerkt, dass ich die Schüler und ihre Beiträge zum Unterricht viel genauer wahrnehme, da ich mir ja gleich Gedanken machen musste, wie viele Punkte ich den Schülern gebe. Auch habe ich mehr darauf geachtet, unterschiedliche Schüler dranzunehmen, einfach deshalb, weil sich so viele meldeten, die Punkte abstauben wollten. Das führt zu faireren Noten, bei manchen Schülern auch zu besseren Noten, weil sie sich eben mehr beteiligen.
Ein Nachteil ist die bereits schon erwähnte Zettelwirtschaft. Hoffentlich kommt bald eine entsprechende Engine oder App. Vorsicht ist geboten, wenn es um den sozialen Aspekt des Spiels geht: Zu Beginn wollten natürlich die gut befreundeten Schüler miteinander spielen, was bedeutete, dass manche Schüler übrig blieben und sich etwas ausgeschlossen fühlten. Diese mussten sich in einer eigenen Gruppe zusammenraufen. Natürlich war es für diejenigen anfangs doof, dass sie keiner in der Gruppe haben wollte, aber andererseits ist das jetzt eine der leistungsstärksten Gruppen geworden und mich würde es auch nicht überraschen, wenn dort neue Freundschaften geschlossen worden wären.
Nächste Seite: Meinungen der Schüler!
[…] ausführlicher Erlebnisbericht mit […]
Hey! Das klingt richtig gut. Ich überlege, das im kommendem Jahr auszuprobieren. Werde eine 5. neu übernehmen. Ab wievielen Jahren würdest du empfehlen? Geht das festhalten der Punkte gut auch bei großen Klassen?
Hallo du!
Die jüngste Klasse war eine 5. Klasse, aber da wurde das Spiel nach den Osterferien zum Testen eingeführt.
Es funktioniert bis max 20 Schülern, ab 24 wird es zu unübersichtlich. Da muss man das Bepunkten anders handhaben.
[…] Staufer World – World-of-Classcraft […]