Kapitel 11

Die Schule wird in dieser Woche zum zweiten Mal geräumt. Die Polizei ist sofort am Tatort und begutachtet die Situation. Frau Karpf wurde vermutlich mit einem Zirkel ermordet. Ihre Kehle wurde damit aufgeschlitzt, sodass sie letztendlich verblutete. Es hatte kein Kampf stattgefunden, da keine Spuren sichergestellt wurden. Wieder hatte das Opfer dieselbe Wunde am linken Unterarm, und das entstehende Blut tropft wiederum in einen Mülleimer. Der Täter arbeitete sauber, da nirgends Blut verteilt war. Nur unter Frau Karpfs Kopf hatte sich eine große Blutlache gebildet. Herr Fritsch unterhält sich mit der Spurensicherung: „Können Sie mir schon den genauen Todeszeitpunkt mitteilen?“
„Genaues kann ich Ihnen noch nicht sagen, aber ich tippe, dass sie zwischen 20:00 und 22:00 Uhr starb“, antwortet der Spurensicherungskollege Herr Gebhard. „Aber wir haben ein paar wichtige Spuren gesichert. Durch den etwas verstaubten Boden der Treppe konnten wir erneut Fußabdrücke sichern. Sie sind identisch mit denen vom ersten Tatort. Mehr konnten wir bis jetzt nicht herausfinden, außer, dass schon wieder dieses Zeichen am linken Unterarm zu sehen war, und dass das Blut wieder in einen Mülleimer tropft.“
„Gut, vielen Dank“, erwidert Herr Fritsch.

Nach der Begutachtung des Tatortes fährt Herr Fritsch in sein Büro, um alle Gemeinsamkeiten der beiden Morde ausführlich aufzulisten: Beide Opfer trugen am linken Unterarm die gleiche Wunde. Das Blut tropfte immer genau in den Mülleimer und es wurden die gleichen Fußabdrücke am Tatort sichergestellt. Höchstwahrscheinlich handelt sich es hier um ein und denselben Mörder. Der Mörder geht immer gleich vor: Zuerst überrascht er sein Opfer, setzt es außer Gefecht und tötet es anschließend mit einer Tatwaffe, die zu dem Unterrichtsfach des Lehrers passt. Bei Herrn Stürmer handelte es sich um ein Sportseil, da er Sport unterrichtete, und bei Frau Karpf um einen Zirkel und um ein Geodreieck, da sie Mathelehrerin war. Raffiniert!
Doch lange wird er damit nicht durchkommen! Bald werden wir diesen Täter schnappen. Und das, bevor er noch mehr Schaden anrichtet!

Kapitel 12

In der Schule bricht Angst und Panik aus. Keiner kann ausschließen, dass es noch einmal zu einer Tat kommt. Darum werden die Polizeiermittlungen verstärkt und das Schulgelände regelmäßig überwacht. Jeder Lehrer wird aufgefordert die Schule nicht mehr ganz allein zu betreten. Die Polizei geht inzwischen davon aus, dass sich der Täter auf der Schule befindet. Nun versucht man herauszufinden, welche Klassen Herr Stürmer und Frau Karpf schon alle unterrichtet haben, da man in Betracht zieht, dass ein Schüler der Mörder sein könnte, welcher seine Lehrer hasste. Auch die Abiturienten von letztem Jahr werden überprüft. Über 300 Schüler waren es in den letzten Jahren, die von Frau Karpf und Herrn Stürmer unterrichtet wurden. Die neuen Fünftklässler werden ausgeschlossen und man fängt insgesamt an, grob auszusortieren. Sobald das erledigt ist, fängt man mit den Befragungen an. Das Ganze zieht sich fünf Tage lang hin, bis man endlich Ergebnisse hat. Einige Schüler kommen den Polizisten verdächtig vor, da sie kein handfestes Alibi vorweisen können und sich schon öfters mit den Opfern gestritten haben.  Da auch die Lehrer nicht komplett ausgeschlossen werden können, werden sie ebenfalls unter die Lupe genommen. Nach und nach wird jeder Lehrer  genauestens befragt. Schließlich ist Frau Schuhmacher an der Reihe. Herr Fritsch beginnt: „Wo waren Sie zu den Tatzeiten, Freitag- und Mittwochabend?“
„Am Freitagabend war ich bei Peter Roth und am Mittwochabend war ich mit meinem Hund laufen, beides kann Peter Roth bestätigen“, antwortet sie.
„Gut. Ist Ihnen in letzter Zeit etwas an den beiden Opfern aufgefallen oder haben sie sich merkwürdig verhalten, was uns weiterhelfen könnte?“
Frau Schuhmacher überlegt kurz und sagt dann aufgeregt: „Ja, da war etwas bei Herrn Stürmer….er und Frau Steinmassl, die eine Beziehung führen, hatten in letzter Zeit Streit. Zumindest schien es so.“
„Wie meinen Sie das?“
Auf diese Frage hat sie gewartet: „Also: Mir ist aufgefallen, dass zwischen den beiden Funkstille herrschte. Zumindest im Lehrerzimmer. Sie redeten nur noch das Nötigste miteinander und warfen sich seltsame Blicke zu.“
Herr Fritsch bemerkt: „Das ist ja interessant. Erzählen Sie weiter. Haben Sie denn auch eine Vermutung, warum da so eine Spannung war?“
„Ja, natürlich habe ich eine Vermutung!“, sagt Frau Schuhmacher und plaudert weiter, „Ich glaube, zwischen Frau Steinmassl und Herrn Golz läuft etwas. Vielleicht sogar eine Affäre. Zumindest wirkt es so auf mich. Die beiden tuscheln immer miteinander und lächeln sich verliebt an. Außerdem habe ich sie schon ein paar Mal ins Krankenzimmer verschwinden sehen! Vielleicht wollten die beiden Herrn Stürmer ausschalten?“
„Vielen Dank, Frau Schumacher, Sie haben uns sehr geholfen. Aber die Ermittlungen überlassen Sie bitte der Polizei. Auf Wiedersehen.“ Und mit diesen Worten begleitet er Frau Schumacher zur Tür.
„Möglich wäre es ja schon, dass Herr Stürmer einer Liebestragödie zum Opfer fiel.  Aber was ist mit Frau Karpf?“, überlegt Herr Fritsch. Er wird die Sache erst mal noch mit Herrn Thorwart besprechen, bevor er dann etwas unternimmt.

Kapitel 13

Er will nicht hier sein. So blöd scheint die Polizei doch nicht zu sein, immerhin sind sie auf ihn gekommen. Er wird gerade verhört. Von Kommissar Thorwart. Bloß nicht auffällig wirken und kein Interesse wecken. Er mag Herrn Thorwart nicht. Der stellt immer so verwirrende Fragen. Sie sind nicht schlecht, zumindest wenn man es aus der Sicht eines Polizisten sieht.  Ihn bringen die Fragen aber durcheinander. Er muss höllisch aufpassen, nichts Verdächtiges zu sagen. Er und neun andere werden genauer unter die Lupe genommen. Nur  weil sie groß und kräftig sind und Schuhgrösse 48 haben. Lächerlich. Aber da muss er durch, auch wenn er eigentlich etwas Besseres zu tun hätte. Sein nächstes Opfer wartet immerhin nicht ewig!
*
„Michael?“, unterbricht Herr Thorwart seine Gedanken.
„Ja? Entschuldigen Sie bitte. Was haben Sie gesagt?“
„Wo warst du am Freitag und am Mittwochabend?“
„Zuhause, beide Male, meine Eltern können das bestätigen.“
Herr Thorwart schweigt kurz. Hat er etwas Falsches gesagt? Warum schweigt der Kommissar und schaut ihn so seltsam an? „Also…dein Alibi wird überprüft, das ist dir klar, oder?“ Er stutzt. Was sollte das denn? Was bringt Herrn Thorwart denn auf diese Idee? Seine Antwort kommt leicht gereizt: „Ja klar. Denken Sie etwa, dass ich lüge?“
„Das habe ich nicht gesagt. ich wollte dich nur noch einmal darauf hinweisen.“
„Na gut. Kann ich jetzt gehen? Ich hab noch andere Termine.“
„Ja. Halte dich aber zu unserer Verfügung. Tschüss.“ Er verlässt wortlos den Raum und ein anderer nimmt seinen Platz ein. Die Blicke des Kommissars bohren sich in seinen Rücken und ihm wird kalt. Eiskalt.

*

Nach der Zeugenbefragung lässt Herr Thorwart sich das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen: Ob es wirklich ein Schüler war? Keiner der Befragten war richtig auffällig. Sind sie überhaupt auf der richtigen Spur? Alle haben sich ziemlich normal verhalten, soweit das bei einem Verhör überhaupt möglich ist. Alle haben ein stichfestes Alibi. Bis auf zwei. Diese behaupten zur Tatzeit daheim gewesen zu sein, was die Eltern anscheinend bezeugen könnten. Diesen müssen wir noch einmal speziell nachgehen. Einer von beiden ist mir besonders aufgefallen, denn er war auf einmal so abwesend und ich musste meine Fragen mehrmals wiederholen. Auch ließ er sich komischerweise sehr schnell reizen. Aber nun gut, wir werden sehen, wie sich das Ganze entwickelt. Herr Thorwart packt seine Sachen zusammen und fährt nach Hause.

Kapitel 14

Der Täter wurde noch immer nicht ausfindig gemacht. Man hat noch nicht einmal annähernd eine gute Spur. In der Schule versucht man die Panik und das Risiko, dass es zu einer weiteren Tat kommt, ein bisschen zu verringern und Frau Ebinger hat nachmittags eine Lehrerkonferenz einberufen: „Liebe Kollegen, wir müssen jetzt  äußerst vorsichtig sein! Der Mörder ist immer noch auf freiem Fuß und so, wie es aussieht, hat er es auf unsere Schule abgesehen, vor allem auf uns Lehrer. Vielleicht ist er sogar unter uns, man weiß es nicht. Die Polizei geht davon aus, dass der Mörder noch nicht am Ende ist! Ich bitte Sie, die Schule ab sofort nicht mehr allein zu betreten. Das heißt, wenn kein Unterricht stattfindet oder auch sonst niemand in der Schule ist, betritt man die Schule nicht mehr allein, sondern mindestens zu zweit. Es wird wahrscheinlich nicht ganz zu verhindern sein, dass man abends noch dringend etwas Wichtiges erledigen muss, aber ich hoffe, jeder von uns versucht es zu vermeiden und wie schon gesagt: Die Schule wird nicht mehr allein betreten!“, warnt Frau Ebinger das gesamte Kollegium und hört zustimmendes Gemurmel.
„Ich müsste heute Abend noch etwas in der Schule erledigen, hat sonst noch jemand vor, in die Schule zu kommen?“, fragt Herr Golz seine Kollegen und wirft Frau Steinmassl einen auffordernden Blick zu.
„Ich komme gerne mit. Ich muss sowieso noch meinen Unterricht vorbereiten“, antwortet Frau Steinmassl und lächelt ihm zu.
Nach der Lehrerkonferenz tuscheln Herr Golz und Frau Steinmassl miteinander und verschwinden anschließend im Krankenzimmer. Frau Schuhmacher beobachtet dies natürlich ganz genau und grinst amüsiert vor sich hin.

Kapitel 15

Ist es zu riskant, die Tat jetzt schon auszuführen?  Nein! Er zieht das jetzt durch! Er ist sowieso schon auf dem Weg zur Schule. Trifft sich ja super, dass sein Opfer so perfekt in seine Falle tritt. Es hat sich doch gelohnt, die Wanze im Lehrerzimmer zu verstecken, so konnte er es wenigstens vermeiden, allzu auffällig dort herumlungern zu müssen. Die Wanze war zwar nicht gerade billig und es war auch nicht leicht gewesen, sie im Lehrerzimmer zu verstecken, ohne erwischt zu werden! Aber das war es ihm wert. Er hat dadurch wertvolle Zeit gespart und ist einfach an wichtige Informationen gelangt. Eine größere Herausforderung war es, Herrn Golz wieder von der Schule wegzulocken. Vor allem, weil alles sehr kurzfristig  geplant werden musste. Doch jetzt hat er einen perfekten Plan.

„Ja?“, meldet sich Herr Golz an seinem Smartphone. Er sitzt im Krankenzimmer auf der Liege und knöpft sich mit der einen Hand sein Hemd zu und hält mit der anderen sein Handy. Frau Steinmassl wirft ihm einen gefühlvollen Blick zu, während sie sich vor dem Spiegel  frisch macht und ihre Bluse richtet. „Was?!“, erschrickt Herr Golz. „Ich komme sofort!“ Er springt auf und packt hastig seine Sachen zusammen.
„Was ist los?“, fragt seine Geliebte verwirrt. „Musst du noch irgendwohin?“
„Ja, tut mir leid! Aber meine Frau hatte einen Unfall und liegt jetzt im Krankenhaus und ich muss da sofort hin! Kann ich dich hier alleine lassen? Ich komme aber, so schnell es geht, wieder!“ Frau Steinmassl, noch ganz irritiert, sagt stotternd: „Ja …Ja natürlich!“
„Ok, gut, danke Schatz, ich beeile mich!“, sagt Herr Golz hastig, drückt ihr einen Abschiedskuss auf den Mund und verschwindet.

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19 Gedanken zu „Weihnachtskrimi: DIE STAUFERLISTE“
  1. Schöne Bescherung!! Findet der Weihnachtsbasar dann überhaupt statt? Womöglich für Kommissar Thorwart DIE Gelegenheit, unauffällig zu ermitteln.

  2. Ob es der Gärtner war nach einer heißen Schlacht am LKW-Buffet. Oli ist vielleicht mit den Bedürfnissen anderer Hungerleidenden immer etwas zu sorglos umgegangen. Schuhgröße 48 lässt doch wohl einige Rückschlüsse zu!

  3. mir wird es unheimlich als Kollegin, aber ich will zur schnellstmöglichen Aufklärung beitragen. Etwas ist mir nämlich aufgefallen, aus unserer naturwissenschafltichen Sammlung fehlt seit ein paar Tagen eine Schachtel mit Rasierklingen, die wir für mikroskopische Untersuchungen benötigen. Die Packung war neu und enthielt genau 50 Klingen……oh, es wäre schrecklich, wenn sich herausstellte, dass genau diese Klingen verwendet wurden…

  4. Ob es eine Hasstat eines Schülers war, was Frau Ebinger derart verneint hat? Mathelehrer sind von vielen gehasst und wenn man dazu noch Sport gibt, tritt man den ganzen Geeks auf den Schlips. Das wird nicht einfach für unseren geliebten Kommissar 😉

  5. Ich glaube das es der Kommissar selber war!Da er Komissar ist ahnt das niemand! Er kommt immer zu spät und hat am Anfang versucht vom Mord abzulenken!

  6. „Es gibt Dinge, die den meisten Menschen unglaublich erscheinen, die nicht Mathematik studiert haben.“ (Archimedes)
    Aber Mathematik ist am Staufergymnasium unglaublich gesundheitsgefährdend geworden!

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