von Sidney Thelen

Der Veteran unter den Lehrern

Seit nun fast vierzig Jahren ist Herr Franz Lehrer, hat die Entwicklung des Staufer-Gymnasiums miterlebt, hat die Auswirkungen der Änderung von G9 auf G8 gesehen, und wahrscheinlich mehr Klassen prägend und erfolgreich unterrichtet, als viele Lehrer zusammen. Nun, da das mögliche Ende seiner Lehrerkarriere immer näher rückt, habe ich mich dazu entschlossen, mit ihm ein Interview zu führen und ihm einige Fragen bezüglich seines Lehrerdaseins sowie seinem Leben davor und danach zu stellen.

Noch einmal vielen dank, dass sie sich bereit erklärt haben, dieses Interview mit mir zu führen. Können sie sich vielleicht noch kurz vorstellen für all diejenigen, die sie vielleicht nicht kennen?“

Liebend gerne. Ich heiße Bernhard Franz, bin jetzt seit fast vierzig Jahren Lehrer am Staufer-Gymnasium und unterrichte Deutsch und katholische Religion.“

Vierzig Jahre? Hier?“

Fast, aber ja, durchgehend hier“

Da spreche ich meinen tiefsten Respekt aus! Wie ist für sie denn das Studium damals verlaufen?“

Gut. Habe etwas länger studiert, da ich zwischendurch immer wieder mein Geld verdienen musste, aber ansonsten ganz normal.“

Und wo haben sie studiert?“

In Freiburg.“

Ein schönes Städtchen. Gibt es spezielle Erlebnisse, also besonders schöne oder nicht ganz so schöne während ihrer Lehrerzeit, an die sie sich noch erinnern können?“

Ach, es gab viele schöne Momente in meinem Lehrerdasein, aber natürlich gab es auch mal weniger Erhebende. Mit vielen Klassen hatte ich ein sehr gutes Verhältnis, was nicht heißt dass man nicht auch mal geschimpft oder gemeckert hat. Ich glaube aber auch dass ich ein Lehrer meines eigenen Stiles war, eben auch noch vom alten Stil. Aber klar, ich bin auch etwas älter. Aber ein einzelnes Ereignis hervorheben…da fällt mir jetzt nichts spezielles ein, aber ich könnte viele nette und gute Dinge erzählen. Ich kann schon sagen, ich war gerne Lehrer.“

Und sie haben es niemals bereut, Lehrer geworden zu sein?“

Nein, nie. Das war meine Wahl damals, zu der bin ich auch gestanden und war mit Haut und Haar bei der Sache und hab das gerne gemacht.“

Und sie mochten auch das Arbeiten mit Kindern?“

Ja, absolut.“

Haben sie mit so etwas als Kind gerechnet? Also, dass sie Lehrer werden und dann für fast vierzig Jahre an einer einzelnen Schule unterrichten werden?“

Nein, vor allem weil ich anfangs am Staufer-Gymnasium immer versetzt werden wollte. Wer aus Freiburg kommt möchte natürlich wieder nach Freiburg zurück oder zumindest mal in die nähere Umgebung, aber das war mir leider nicht vergönnt. Als Junggeselle hatte man damals dann irgendwann gar keine Chance mehr, nach oder in Richtung Freiburg versetzt zu werden und dann hab ich mich hier mehr und mehr arrangiert und muss rückblickend sagen, dass es einem hier auch nicht schlecht gegangen ist. Ich glaube, man hätte schlechtere Schulen erwischen können.“

Da haben sie Recht. Aber was haben sie denn gemacht, bevor sie Lehrer wurden? Sie haben ja erwähnt, dass sie auch während des Studiums gearbeitet haben.“

Nun, ich hab natürlich mein Studium gemacht, während meines Studiums gearbeitet, viel Nachhilfeunterricht, schon fast ein kleines Nachhilfeunternehmen betrieben so nebenbei. Dann muss man bei mir noch erwähnen, dass ich zwei Jahre vor dem Studium bei der Bundeswehr war, etwas was heute nicht mehr wirklich im Gesichtskreis der meisten liegt. Dann war ich direkt Referendar in Waldkirch, Freiburg und in Hausach im Kinzigtal, und von da bin ich dann direkt nach Pfullendorf geschickt worden, was ich ursprünglich mit Pfullingen verwechselt habe.

Pfullendorf habe ich zwar vom Fußball davor schon mal gehört, aber ich wusste nicht so wirklich wo das liegt. Aber wie gesagt ich bin dann hier hängen geblieben und ich glaube, dass es mir hier ganz gut ging.“

Das freut mich zu hören. Aber um mal etwas komplett anderes anzusprechen:
Sie sind fast vierzig Jahre Lehrer, hatten viele verschiedene Klassen und haben den Umstieg von G9 auf G8 am eigenen Leib gespürt. Wie ist denn jetzt ihre Meinung zur Bildungspolitik und vor allem zum Bildungsniveau? Ist es gestiegen, gesunken, gleich geblieben und gab es Entscheidungen des Bildungsministeriums, die sie überhaupt nicht gutheißen konnten?“

Also das ganze Bildungswesen und die Bildungspolitik ist, wie man bildlich manchmal sagt, eine Hure. Da wird dauernd was geändert erneuert, was teilweise nichts Neues ist, sonder da werden einem Dinge als neu vorgesetzt, die wir schon vor 15 Jahren in vielleicht etwas anderer Form so auch schon hatten, Aber so ist das immer in Bereichen, wo man das Rad nicht neu erfinden kann, sei es der Stil oder die Art. Gut, was anderes ist jetzt diese digitale Welt. Die wird man nicht stoppen können. Die kommt halt wie in anderen Bereichen auch und da kann man sich auch als Lehrer nicht gegen wehren, aber ich glaube dass der Lehrer als solcher eigentlich nicht ersetzbar sein sollte, alleine wegen dem persönlichen Kontakt und der Auseinandersetzung mit den Schülern. Darin habe ich auch immer eine meine Hauptaufgaben gesehen, was auch wenn man von meinen Fächern her denkt, gerade auch Religion. Das ist nicht nur ein Fach wie, ohne dem jetzt wehtun zu wollen, Erdkunde, sonder da kommt man sich persönlicher Näher.“

Weil Religion eben auch eine Sache ist, der man mit dem Herzen folgt, und nicht nur mit dem Verstand.“

Sehr richtig.“

Und wie hat es sich jetzt für sie so angefühlt bezüglich dem Bildungsniveau mit den ganzen Änderungen? Eher positiv oder negativ?“

Eher negativ. Also, man muss die Negativität auch nicht übertreiben. Nach meiner persönlichen Meinung jedoch war das G8 eine Fehlentscheidung und man hätte es bei G9 belassen sollen. Es sind dann doch die Reiferen. Aber es kann ja auch nicht anders sein, in dem Alter macht jedes Jahr eine Menge aus. Und wenn ich heute meine K2 angucke, die machen jetzt Abitur, ihren Abschluss, dann muss ich leider sagen, ohne ihnen wehtun zu wollen, das sind einfach noch große Kinder. Und wenn du jetzt noch ein Jahr drauf denkst dann sind das schon fast junge Erwachsene. Ein Jahr macht da wirklich sehr viel aus. Aber das G8 war eine politische Entscheidung, und jetzt müssen wir heute damit leben. Aber gestiegen ist das Niveau sicherlich nicht, eher leicht gefallen. Das darf man aber auf keinen Fall mit dem Stress verwechseln, in den Schüler manchmal versetzt werden. Der mag zwischendurch mit den Kursen auch definitiv mal angestiegen sein. Das, was sich auskristallisiert, das ist nicht dramatisch weniger geworden, aber mit Sicherheit auch nicht mehr. Das hat aber auch teilweise seine Gründe bei den Asylanten und Flüchtlingen die wir heute haben, ohne irgendein Vorurteil hier jetzt verbreiten zu wollen, aber es ist ja klar dass du diesen Menschen vor allem in der neuen Sprache mehr Zugeständnisse machen musst und auch automatisch machst, als wenn es jetzt nicht so wäre. Wobei man sagen muss, dass es immer Ausnahmen gibt! Ich habe gerade bei den ausländischen Freunden auch sehr gute zwischen gehabt, man kann es also auf keinen Fall pauschalisieren.“

Vielen Dank für dieses Statement. Ich hoffe es stört sie nicht, dass wir jetzt noch in etwas privatere Bereiche vorgehen, aber was werden sie denn machen, wenn sie mal nicht mehr unterrichten? Haben sie sich schon Pläne gemacht, was sie dann machen wollen was sie während ihrem Lehrersein nicht ausleben konnten?“

Ich könnte tatsächlich etwas mehr reisen, aber ich war eigentlich nie so ein großer Reisender, sowie ich auch nie ein großer Urlaubsmensch war. Das liegt mir eigentlich nicht so, ich muss ein bisschen was tun und deswegen bin ich noch hier über meiner Weiterbeschäftigung froh, hab jetzt mit der K2 noch mal sechs extra Stunden gemacht, nachdem ich schon die letzten zwei Jahre überzogen habe und bin nebenbei auch noch am Berufskolleg in Riedlingen zu Gange. Eigentlich ist ja mit 65 Schluss, aber mir geht es mit 67 immer noch gut. Aber solange ich gesund bin macht mir das nichts und wenn man mich fragen würde, würde ich auch hier noch ein Jahr länger machen. Allerdings ich möchte mich auf der anderen Seite auch nicht irgendwie aufdrängen oder Ähnliches. In Riedlingen ist immer Bedarf, das heißt da werde ich, immer guter Gesundheit vorausgesetzt, bestimmt noch bis siebzig weitermachen.“

„Davor ziehe ich meinen Hut, das ist ein sehr ehrbares Ziel.“

Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich Junggeselle bin. Ich hab keine Frau, keine Familie, ich bin kein Autobauer wie viele andere Männer und habe auch kein Häuschen an dem ich herumbasteln kann oder muss den ganzen Tag. Daher bin ich eigentlich froh, wenn ich noch eine Herausforderung in meinem Leben habe. Die muss nicht mehr übertrieben viel sein, ich habe schließlich jetzt quasi eine halbe Stelle noch, wenn man Riedlingen und hier addiert.“

Werden sie denn die Schule vermissen, wenn sie sie verlassen?“

Ja, schon. Ich meine, man ist hier Tag für Tag hineingekommen, wie ich vorhin gesagt hab auch immer gerne, aber man muss auch realistisch sehen, dass das Leben nun mal so ist. Das ist jetzt ein Lebensabschnitt welcher rein jahremäßig ausgelaufen ist, und da muss man sich dann eben anders orientieren. Aber da ich ein sehr geistiger Mensch bin habe ich eine Tätigkeit die mir immer bleibt, die mir auch Massen bietet zum bewältigen, und das ist das Lesen, die eigene Fortbildung. Ich habe zuhause noch so viele Bücher, die nur im Bücherregal stehen und nie gelesen habe. Da habe ich also noch ein weites Feld vor mir. Es wird aber trotzdem eine Umstellung.“

Ein für mich sehr einleuchtendes Interview. Ich wünsche Herr Franz natürlich noch viel Erfolg bei all seinen Vorhaben und noch langes, erfülltes Leben.

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