Rundbrief Nr. 3: Dar es Salaam, den 18.12.2012
Fragen über Fragen
So kurz vor Weihnachten bekommt ihr nochmal ein kurzes Lebenszeichen von mir. Aufgrund weihnachtlicher Vorbereitung und etwas Hektik in den letzten Tagen verschiebe ich die ausführliche Berichterstattung der letzten Wochen auf das nächste Jahr, und werde diesen Rundbrief mal etwas anders gestalten: Ich bekomme immer ganz viele Fragen von euch geschickt, und komme leider nicht immer dazu, alle ganz so ausführlich zu beantworten. Hier habe ich mal ein paar herausgepickt, die hoffentlich euren Fragendrang ein bisschen stillen können.
Kommunikationswirrwarr – „Welche Sprache sprichst du mit den Leuten?“
Kiswahili – holprig, brüchig, und mehr schlecht als recht. Von den Englischkenntnissen, die laut Reise-führer hier in Dar es Salaam bei den meisten Menschen vorhanden sein sollen, habe ich irgendwie noch nicht viel mitbekommen, und wenn überhaupt dann nur ein „Hey Baby, I love you“ bzw. wenn die Tansanier es aussprechen „Hai Babi ai lav ju“ . Mit den Kindern hier im Projekt rede ich nur Kiswahili, und nach drei Monaten haben sie sich auch schon daran gewöhnt, dass man mir eben alles doppelt erklären muss bis ich es verstehe. Mein Name wurde auch schon gleich angepasst: Dada Malini. „Dada“ als Bezeichnung für Schwester, (man spricht sich immer mit einer Familienbezeichung an), das – i am Ende wurde hinzugefügt, da fast alle Wörter im Swahili auf einen Vokal enden, und das –ee schaffen ja auch nicht mal die Deutschen richtig auszusprechen. Da –r und –l von den kleinen Kindern sowieso nicht unterschieden werden (können), werde ich dann auch „Marini“ geschrieben. Aber ob Dada, Malini oder Marini – ich bin stolz auf diese Namen, denn sie machen mich irgendwie weniger fremd und geben mir das Gefühl, dazuzugehören.
Immer wieder bewundere ich auch die Geduld der Kinder und ihren Eifer, wie sie mir immer wieder die Wörter, die ich falsch ausspreche, vorsagen, und am nächsten Tag wieder, falls ich sie vergessen habe. Im Gegensatz dazu sind die Erwachsenen viel ungeduldiger, und haben oft nicht die nötige Ruhe und Kreativität, ihre Worte nochmal auf eine andere Art zu umschreiben. Die tansanischen Mitarbeiter im Büro können alle sehr gutes Englisch, geredet wird in einem Mix aus Swahili und Englisch. So auch mit den Schwestern, und langsam habe ich mich auch schon an ihr singsang-indisches Englisch gewöhnt.
„Du bist doch so heikel Maleen und magst nichts, was isst du denn so?“


Da kann ich euch beruhigen: Ich verhungerehier nicht. Und es wird euch überraschen: Die heikle Maleen probiert so gut wie alles, was ihr vorgesetzt wird. Ausgewogen ist mein Speiseplan zwar nicht, aber es lässt sich leben. Morgen gibt’s Toastbrot mit Honig, mittags kommen wir in den Genuss indischen Essens (also Reis mit irgendwas dazu) oder Ugali (typisch tansanisches Gericht, eine Art
Maisbrei der zwar nach nichts schmeckt, aber einen schon nach zwei Löffeln satt macht) und abends wieder Reis mit Bohnen, Kohl, Kochbananen oder Fisch. Ich weiß auch jetzt schon, dass ich nach dem Jahr nie wieder Reis sehen kann.
Ok, ich geb’s zu: alles esse ich nicht: vor allem Dagar, ein 2cm großer, getrockneter Fisch, der gekocht wird, lasse ich immer aus, denn wenn er aus der Speisekammer geholt wird, sieht er nicht aus wie getrocknet, sondern weil so viele Ameisen, Kakerlaken und anderes Getier darin rumläuft, bewegt sich immer die ganze Schüssel als würde der Fisch noch leben. Na dann guten Appetit!
Ach ja, und nicht zu vergessen: An Regentagen gibt es eine besondere Spezialität: Dann fliegen nämlich ca. 5cm große Insekten mit langen dünnen Flügeln rum, die gefangen, gekocht und gegessen werden. Diese Dinger jagen mir große Angst ein, weil sie sich immer in meinen Haaren verwursteln. Gekocht und anbgebraten sehen sie dann noch schlimmer aus, verschrumpelt und mit großen Augen, weswegen ich dankend abgelehnt habe als die Kinder mir diesen Schmaus angeboten haben. Doch bevor ich mich außer Reichweite retten konnte, haben sie mir auch schon schwupsdiwups so ein Ding in den Mund geschoben. Und es gab kein Entkommen: Augen zu und runterschlucken. War dann auch gar nicht so schlimm, hat irgendwie nach einem verbrannten Stück Zwiebel geschmeckt.
„Wie wird Weihnachten gefeiert?“
Wenn ich mitbekomme, wie ihr in Deutschland Schnee schippt, die dritte Kerze im Adventskranz anzündet und Plätzchen backt, komme ich mir hier bei 35°C und glühender Mittagshitze vor wie auf einem anderen Planeten. Auch davon, dass Weihnachten vor der Tür steht, merkt man hier noch nicht viel. Außer einer Lichterkette in meinem Zimmer und dem Versuch, gebrannte Mandeln überm Feuer zu machen (was erstaunlich gut geklappt hat) erinnert mich nichts an die schöne Vorfreude auf Heiligabend, die zuhause immer herrscht. Das vermisse ich schon, aber auf der anderen Seite
genieße ich es auch, dass ich mich einfach von der Ruhe und Gelassenheit der Tansanier mittreiben lassen kann, und einmal der Hektik, für jeden das passende Geschenk zu suchen, das Haus zu putzen und dem übertrieben Profit-Schlagen der Läden entgehen zu können. Und wie der deutsche Botschafter beim Weihnachtssingen meinte: „So wie hier ist eigentlich das richtige Weihnachten“. Jesus ist auch nicht im tiefsten Winter zur Welt gekommen, sondern eher bei Temperaturen wie hier, also sind wir hier näher am „Original-Weihnachten“ dran als in Deutschland ;). Und irgendwie ist es auch toll, Weihnachten mal so ganz anders zu erleben. Meine Partnerin Doro und ich planen für diese Woche auch noch, Plätzchen zu backen, was aber mangels Ofen und spezieller Zutaten für einige Schwierigkeiten sorgen wird. Aber wir lassen uns nicht entmutigen und versuchen, irgendwas zu zaubern.
Heiligabend werden wir dann erst in die deutsche Messe gehen, danach zusammen mit den Schwestern in die Mitternachtsmesse der tansanischen Gemeinde. Da die Hälfte der Menschen hier Christen sind (die andere Hälfte Moslems) feiern sie Weihnachten auch so wie bei uns daheim, Kirche und danach ein leckeres Essen, was bei den meisten hier aus Kartoffeln, Hühnchen und Soda besteht.
„Wie sieht‘s mit dem Wasser aus?“
Fließend Wasser ist hier eigentlich kein Problem. Theoretisch habe ich auch in meinem Zimmer einen Duschkopf an der Decke, mit dem ich duschen könnte (eine Duschwanne gibt es nicht, sondern
man duscht auf die Fliesen bzw. ins Klo rein). Praktisch funktioniert diese Konstruktion aber so gut wie nie, da dafür der Wassertank ganz gefüllt sein muss, damit genug Druck in der Wasserleitung
ist und genug Wasser kommt. Das mit dem Aus-dem-Eimer-Duschen funktioniert ganz gut, auch wenn ich morgens manchmal die Zähne zusammen kneifen muss, denn selbst bei so hohen Temperaturen hier ist eine Kalt-Wasser-Dusche so frisch aus dem Bett eine kleine Überwindung. Ansonsten bin ich zufrieden mit meinem Zimmer, das für tansanische Verhältnisse supergut ist, mit Fliesenboden und europäischer Toilette.
In den letzten zwei Wochen wurde es aber dann doch ein bisschen ungemütlich, da wir kein fließend Wasser mehr hatten. Erst war der Wassertank ganz leer, dann mussten wir und die Kinder auf die andere Straßenseite gehen und eimerweise Wasser im Schwesternhaus holen und zu uns schleppen. Nach ein paar Tagen wurden wir (so dachten wir zumindest) erlöst, und neues Wasser wurde in den Tank gefüllt. Das war aber nur eine grün-gelbe stinkende Brühe, weswegen es auch nicht schlimm war, dass der Tank am nächsten Tag wieder leer war. Dann doch lieber Wasserschleppen.
Laut den Schwestern sei wohl irgendeine Leitung bei Straßenbauarbeiten kaputt, weswegen das mit dem fließend Wasser im ganzen Gebiet nicht klappen würde (es wundert mich nur, dass sie selbst immer fließend Wasser haben;). Hoffnung auf Besserung gibt es leider noch nicht, die nächsten Zeit werden wohl meine Oberarmmuskeln erheblich in Anspruch genommen werden.
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