Aus Spaß wird Ernst – Die Turniere: The International

Entstehungsgeschichte und Hintergründe

Um die Bedeutung dieses Turnieres erklären zu können, muss man etwas weiter ausholen und zurück in die frühere Computerspielezeit zurückgehen. In den frühen 1990ern, als die ersten Netzwerk-Multiplayerspiele aufkamen, waren Spieler und ihre Spiele eine gesellschaftliche Randerscheinung, leicht vergeekt und etwas nerdig. Sie hatten Spaß daran, ihre Rechner zu Freunden zu schleppen und sich dann das Wochenende über im Haus zu verbarrikadieren, um zu zocken. Damals war auch das Einrichten eines funktionierenden lokalen Netzwerkes (LAN) eine Kunst für sich. Nach und nach entstanden so die ersten größeren LAN-Parties. Gegen Ende der 90er wurden dann ganze Hallen für diese Events gemietet und es wurden verschiedene Turniere in den unterschiedlichsten Games ausgetragen. Die Preisgelder waren nicht der Rede wert; prinzipiell waren es bessere Taschengelder, wenn man nicht sogar die eine oder andere Hardware als Preis abstauben konnte. Gezockt wurde also zum Spaß; kaum jemand betrieb es aus wettkämpferischen Motiven. Wozu auch? Preisgelder gab es wie gesagt kaum.
Mit dem Erstarken der Modding-Szene aber kamen kostenlose Spiele auf den Markt, die auf einmal so etwas wie Wettkämpfe auslösten – allem voran „Counterstrike“ , ein Half-Life Mod. Plötzlich boten diese Spiele die Möglichkeit, Mannschaften, Clans genannt,  zu gründen und in organisierten Teams zu trainieren, feste Line-Ups zu stellen und geschlossen auf Wettkämpfe zu gehen. Vorher, zu Zeiten der Lan-Parties, gab es zwar auch ansatzweise Turniere, aber da schlossen sich eher spontan ein paar Gamer zusammen und traten gegen andere an. Mit „Counterstrike“ bekam das eine völlig andere Dimension.
Diese Teams waren es dann auch, die Sponsoren fanden, und die wiederum sponsorten Turniere. Zuerst lokal, dann national. Internationale Turniere gab es kaum bis gar nicht, und zwar aus drei Hauptgründen: Niemand konnte und wollte die Reisekosten auf sich nehmen. Die Preisgelder stiegen zwar, aber reich konnte dadurch keiner werden. Außerdem waren die Spiele eine Frage des nationalen Geschmacks. In Deutschland wurde eher Counterstrike gespielt, in Asien war es „Starcraft“, in den USA eher Shooter wie „Quake“. Und last but not least: Es gab noch keine Internet-Flatrates, langes Onlinespielen war also recht teuer; von der nötigen Bandbreite und dem Ping (Reaktionsgeschwindigkeit) ganz zu schweigen.

In den frühern 2000ern waren die Preispools nicht besonders hoch. Die abgebildeten beträge wurden entsprechend unter beispielsweise den 3-5 besten Teams aufgeteilt.
In den frühen 2000ern waren die Preis-Pools nicht besonders hoch. Die abgebildeten Beträge wurden entsprechend unter den 3-5 besten Teams aufgeteilt. Leider hatten viele Teams damals Knebelverträge mit den Sponsoren und mussten einen Teil des Preisgeldes abtreten, da die damaligen Firmen selbst recht klein waren und selbst über keine großen Finanzen verfügten. Also stellten sie den Teams zwar die Hardware, wollten aber an den Preisgeldern beteiligt sein. (Ausschnitt aus dem Dokumentationsfilm „Free to play“)

Valves Kampfansage: Dota2 und der eSport werden jetzt groß!

Doch dann sollte 2011 etwas Irres, noch nie Dagewesenes passieren. Anfang/Mitte 2000 erschuf Icefrog, wie wir ja jetzt wissen, den Warcraft3-Mod DOTA1. Valve nahm sich des Mods und seines Erschaffers an und bescherte den Gamern DOTA2. Gleichzeitig hatten sich bis zum Jahre 2010 die zuvor lose organisierten Turniere zu richtigen Events gemausert, einerseits natürlich wegen entsprechenden Titeln wie „Warcraft 3“, „Starcraft“ oder eben Dota1, andererseits natürlich wegen des Internets. Man musste den Rechner nicht mehr von seinem Zimmer zum Turnier transportieren, sondern konnte von daheim aus gegen alle Leute bzw. mit allen Leuten aus der ganzen Welt spielen.
In Asien ist eSport Nationalsport, in Korea sind die Nationalspieler Megastars, deren Namen jeder kennt. Das ist mehr als nur ein Hype, denn dafür dauert er zu lange an und hat sich in den Kulturen bereits einen wichtigen Platz im alltäglichen Leben gesichert. Aber dazu werden wir noch im entsprechenden Kapitel kommen. Jedenfalls steht eines fest: Die Welt zockt so intensiv wie noch nie zuvor!
Die Spiele begannen, ihr Nischendasein zu verlassen. Und genau an diesem Punkt wollte Valve ein Zeichen setzen: Sie kündigten das erste „International“ an, das während der Kölner GamesCom 2011 stattfinden sollte. Dazu lud Valve die weltweit erfolgreichsten Teams direkt nach Deutschland ein. Das gab es vorher noch nie. Und genau das feuerte die Spekulationen über das Preisgeld an: Wie hoch würde es sein? 50.000 Dollar? 75.000 Dollar? Manche Hardcore-Spieler wagten sogar Prognosen bis zu 100.000 Dollar, aber keine Mehrheit traute sich, das auch auszusprechen. Natürlich gab es schon das eine oder andere Turnier mit einer Viertelmillion Dollar Preisgeld, aber die waren sehr, sehr selten. Noch im Jahre 2009 wurde um sage und schreibe ganze 1.000 (in Worten: TAUSEND) Euro auf der Hannoveraner DotaLiga gespielt.
Valve schwieg genüsslich zu den Vermutungen und ließ die Bombe dann per Internetankündigung kurz vor dem International 2011 platzen:

Valve lobte ein Preisgeld in einer noch nie zuvor dagewesenen Höhe aus. Das erstplazierte Team würde aus dem Preispool eine satte Million mit nach Hause nehmen, also 200.000 Dollar pro Spieler. Der helle Wahnsinn!
Valve lobte ein Preisgeld in einer noch nie zuvor dagewesenen Höhe aus. Das erstplazierte Team würde aus dem Preispool eine satte Million mit nach Hause nehmen, also 200.000 Dollar pro Spieler. Der helle Wahnsinn! (Ausschnitt aus dem Film „Free to Play“)
Entsprechend gab es damals rund um den Erdball Reaktionen wie diese.
Entsprechend gab es damals rund um den Erdball Reaktionen wie diese.

Das „International“ von 2012 hatte ebenfalls einen Preispool von 1,6 Millionen Dollar, 2013 waren es 2,8 Millionen und abermals will Valve hoch hinaus. Mithilfe des Kompendiums, einer Art digitalem Stickeralbum mit eingebautem Tipp-Spiel und Online-Ticket zu den Streams, sammelt der Veranstalter mehr und mehr Preisgeld ein. Kauft man das Kompendium (ca. 7 Euro), bekommt man ein Online-Ticket für das Turnier und kann alle Matches über den Dota2-Klienten anschauen. Vorteil dabei ist, dass man bei besonderen Ereignissen im Spiel (Mega-Killserie, Sieg eines Teams, Töten des gegnerischen Kuriers usw.) mit etwas Glück digitale Gegenstände geschenkt bekommt, mit denen man seinen Lieblingshelden verschönern kann. Außerdem können noch Kompendium-Punkte durch Tippen auf bestimmte Ereignisse gewonnen werden: Schnellster Sieg, der am meisten gespielte Held, das längste Match, das kürzeste Match usw. Mit den so gewonnenen Kompendiumpunkten kann man die Stufe seines Kompendiums erhöhen und etappenweise Belohnungen freischalten.

Das Kompendium – Per Online-Ticket zum Turnierstream

Außerdem schaltet Valve ebenfalls Etappenziele frei, wenn ein bestimmter Gesamtbetrag durch die Verkäufe erreicht wird. So gab es beispielsweise bei 2 Millionen Dollar neue Ladebildschirme, bei 2,4 Millionen Dollar neue Interface-Skins, bei 4,5 Millionen Dollar neue Musik für Spiel usw. Eigentlich wollte Valve auf 5 Millionen Dollar kommen, aber das Ziel war bereits nach nur 12 Tagen erreicht. Die neue Marke liegt jetzt bei 10 Millionen Dollar und die Zeit endet kurz vor dem International, also noch knapp 50 Tage. Momentan liegt das eingenommene Geld bei ca. 7 Millionen Dollar. Sollte das so weitergehen, wird Valve locker über 15 Millonen Dollar kommen.

Das 2014er Kompendium unterstützt den Preispool des International-Turniers. Es enthält alle Hintergundinfos zu den 11 besten Teams der Welt, die bereits zum Turnier eingeladen worden sind. Auch führt es Buch über die eigenen Kompendium-Punkte zum Freischalten von Belohnungen sowie die Stretch-Goals des Preispools.
Das 2014er Kompendium unterstützt den Preispool des International-Turniers. Es enthält alle Hintergundinfos zu den 11 besten Teams der Welt, die bereits zum Turnier eingeladen worden sind. Auch führt es Buch über die eigenen Kompendium-Punkte zum Freischalten von Belohnungen sowie die Stretch-Goals des Preispools.

Allein die Anzahl der verkauften Kompendien zeigt, dass es den Spielern ernst ist, wenn es um das Unterstützen ihres Lieblingshobbys geht. Diese Aktion ist bisher einmalig, zumindest wenn es um das digitale Turnierspiel geht. Das Crowdfunding-Prinzip an sich ist ja auch nicht mehr ganz so neu. Aber die Summe zeigt, dass der eSport ernst genommen werden will und sollte: Das eingenommene Preisgeld allein bisher ist höher als bei manch althergebrachten Sportarten: So liegt das Preisgeld jetzt schon höher als bei der Tour de France, das Preisgeld in der Fußball-Championsleague liegt bei ca. 9 Millionen Euro, in der Europa League sind es immerhin auch noch knapp 3 Millionen Euro, der DFB-Pokalsieger bekommt 2,5 Millionen Euro. So schön das auch klingt, ein Problem haben die eSportler noch immer: Sie verdienen kein Grundgehalt. Da bedeutet also, sie MÜSSEN von Turnier zu Turnier gewinnen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Kein Gewinn, kein Geld. „Normale“ Sportler haben dieses Problem nicht.

Valves Message ist klar: Wir sind Sport!

Die Summen aus dem konventionellen Sportpreis-Pools wird das „International“ höchstwahrscheinlich hinter sich lassen. Die Message ist klar: eSports ist eine ernste Angelegenheit, bei der man als professioneller Spieler eine Menge Geld verdienen und so seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.Die Zeiten, in denen Spieler wegen ihres Hobbys belächelt worden sind, sind vorbei. Strebte man in der guten alten Zeit eine Profikarriere im Fußball an, ist es jetzt durchaus möglich, eine Profikarriere als Gamer anzustreben.
Zwar ist das Gaming noch nicht in allen Ländern als offizielle Sportart anerkannt, aber das ist in großen Schritten auf dem Vormarsch. Vor allem von den Asiaten könnten sich die europäischen Länder eine Scheibe abschneiden und eSports als regulären Wettkampfsport anerkennen. Immerhin gibt es schätzungsweise allein in Deutschland etwa vier Millionen Spieler in ca. 40.000 organisierten Clans, teilweise sogar sehr professionel wie der eingangs erwähnte Clan Mousesports aus Berlin.
Und genau darum wird es auf der >>nächsten Seite<< gehen: Wir stellen euch eine kleine Auswahl an Teams vor: Mousesports aus Deutschland, Na’vi aus der Ukraine und die Evil Geniuses aus den USA.

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