Montag, 7.35 Uhr, vor dem Kopierraum

Die Freundinnen wollen gerade das Tagebuch holen, als sie am Kopierraum vorbeigehen. Auf einmal hält Madelaine Marie zurück. Aus dem Kopierraum dringt die Stimme von Frau Möhwald: „Das war doch nicht deine Schuld!“
„Aber wenn ich mitgegangen wäre…“, entgegnet Herr Stürmer niedergeschlagen.
„Jetzt hör schon auf! Dich trifft keine Schuld. Und wenn du auch dort gewesen wärst, wärst du jetzt vielleicht auch tot“, versucht Frau Möhwald ihn zu beruhigen, als sie den Raum verlassen. Marie schaut Madelaine verheißungsvoll an: „Ich glaube, wir sollten mal mit Herrn Stürmer reden!“

    Montag, 9.17 Uhr, große Pause

Marie und Madelaine fangen Herr Stürmer vor dem Lehrerzimmer ab.
„Herr Stürmer, könnten wir mal kurz mit Ihnen reden?“, fragt Marie.
„Klar, was gibt’s denn?“, antwortet Herr Stürmer.
„Wir haben vorher zufällig das Gespräch zwischen Ihnen und Frau Möhwald mitbekommen. Wir wollen Ihnen nicht zu nahe treten, aber wir würden…ähm…ja, wollten fragen…naja…“
„…wann haben Sie Frau Stauffert zum letzten Mal gesehen?“, beendet Madelaine Maries Satz.
Herr Stürmer schaut die beiden Mädchen skeptisch an und fragt: „Warum wollt ihr das wissen? Es war ein Unfall.“
„Das glauben wir nicht!“, antwortet Madelaine ernst, „Sie würden uns damit sehr weiterhelfen.“ „Also gut, ich werde euch helfen. Ich begleitete Frau Möhwald zur Lehrerkonferenz, die für die Mittagspause einberufen wurde. Wir gingen gerade am Sekretariat vorbei, als Frau Möhwald auffiel, dass sie den Biologieraum 2, in dem sie gerade Vertretung hatte, nicht abschließen konnte, da sie keinen Schlüssel für die Fachräume hatte. Deshalb bat sie mich, da ich gerade auf dem Weg nach unten war, weil ich mein Smartphone liegen gelassen hatte, ob ich den Raum für sie abschließen könnte. Dann haben wir noch ein bisschen geredet, ich glaube über die Themen der Konferenz. Ich machte mich schon auf den Weg, als mir Frau Stauffert begegnete und als ich ihr sagte, dass ich mein Smartphone suche, meinte sie, dass sie es gefunden hätte und mir nachher zur Konferenz mitbringen würde. Und sie sagte, sie würde den Biologieraum 2 abschließen, da sie sowieso noch etwas aus dem Raum holen müsse. Ich sollte sie dafür bei der Konferenz für ihre Verspätung entschuldigen. Warum glaubt ihr eigentlich, dass es kein Unfall war?“
„Weil es sehr unwahrscheinlich ist, dass sich jemand allein in einen Raum einschließt, in dem es kein Licht gibt, die Türen verschlossen sind und mehr als 500 ml Brom austreten“, erklärt Marie knapp, „Wer hat eigentlich die Leiche entdeckt?“
„Frau Ebinger!“
„War sie von Anfang an auf der Konferenz oder kam sie später?“
„Ich bin mir nicht sicher, ich war ja auch zu spät.“

    Montag, 11.12 Uhr, Pause

Die beiden Mädchen betreten das Sekretariat. „Frau Ebinger, können wir Sie kurz sprechen?“                                                                                                                                                                                     „Aber nur ganz kurz, ich habe gleich Unterricht.“
Marie und Madelaine folgen der Schulleiterin in ihr Büro. „Kommen wir gleich zum Punkt. Waren Sie letzten Mittwoch bei der Konferenz pünktlich?“
„Warum wollt ihr das wissen?“
„Wir glauben, dass der Brom-Vorfall kein Unfall war.“
„Ach, ihr seid die beiden Schülerinnen, Herr Stürmer hat mir bereits von euch erzählt. Natürlich werde ich euch helfen! Da ich die Konferenz vorbereiten musste, war ich die erste, die da war.“
Die Freundinnen sind erleichtert über das Verständnis, das Frau Ebinger ihnen entgegenbringt. „Können Sie sich noch erinnern, wer zu spät gekommen ist?“
„Ja, ich habe es aufgeschrieben. Moment…“, Frau Ebinger sucht in ihren Unterlagen nach der Liste, „Frau Linster war noch mit ihren Hund unterwegs, Frau Karpf und Herr Antunovic waren schon den ganzen Tag krank und Herr Thorwart hat sich kurzfristig abgemeldet, weil es ihm nicht gut ging. Sonst waren alle da.“
„War sonst noch jemand in der Schule?“, fragt Madelaine.
„Nur noch der Hausmeister und zwei Nachsitzer aus der 7. Klasse, die dem Hausmeister geholfen haben, die Aula zu reinigen“, Frau Ebinger schaut wieder auf ihr Blatt, „Lisa A. Und David S.“
Marie notiert die Namen auf ihrem Block, dann bedanken sich die Mädchen für Frau Ebingers Hilfe und verlassen das Büro.
Beim Hinausgehen meint Madelaine: „Ich glaube, Frau Ebinger können wir ausschließen, aber wir sollten nochmal mit Herrn Stürmer reden.“

    Montag, 11.23 Uhr, Klassenzimmer der 9b

Der Vertretungslehrer Herr Stürmer nimmt einen Schluck aus seiner Wasserflasche und zeichnet dann mit dem Tafelgeodreieck ein gleichschenkliges Dreieck an die Tafel.
Auf einmal hört man ein lautes Krachen, das Geodreieck und die Kreide, die Herr Stürmer gerade noch in der Hand gehalten hatte, liegen auf dem Boden. Es ist ganz still in der Klasse.
Herr Stürmer hustet und nimmt zur Beruhigung des Hustenreizes noch einen Schluck aus der Wasserflasche. Er krümmt sich zusammen, fängt an zu würgen und spuckt das Wasser wieder aus, auf das Tafelgeodreieck. Schließlich fällt er zu Boden.
Leonie M. geht zu dem bewusstlosen Herr Stürmer und fühlt seinen Puls. „Ich fühle nichts!“, schreit Leonie panisch. Ohne zu zögern rennt Alex S. zum Sekretariat, um Hilfe zu holen.
Im Klassenzimmer herrscht großes Durcheinander, Marie kniet neben Herrn Stürmer und nimmt unauffällig eine Probe des Erbrochenen.
7 Minuten später steht der Krankenwagen vor dem Gymnasium.
Madelaine steht direkt neben den Sanitätern, die gerade Herrn Stürmer im Krankenwagen festmachen. Sie hört dem Gespräch der beiden Sanitäter aufmerksam zu.
„Das sieht nicht aus wie ein Kreislaufzusammenbruch“, meint der größere Sanitäter.
„Nein, das glaube ich auch nicht! Die Schleimhäute in Nase und Mund bluten hellrot, die Anzeichen deuten auf eine Vergiftung hin.“

    Montag, 13.14 Uhr, Mittagspause Bücherei

„Vielen Dank, Herr Golz, dass Sie uns die Bücherei aufschließen“, bedankt sich Marie.
„Kein Problem, ich wünsche euch viel Glück bei eurer GFS. Bringt mir nachher einfach den Schlüssel zurück.“
Die beiden Mädchen gehen sofort zu den naturwissenschaftlichen Büchern.
Plötzlich entdecken sie Fußspuren auf der Wendeltreppe, die in einer dünnen Schicht von weißem Pulver eingedrückt sind. Daneben liegt ein kleines Plastikbeutelchen, in dem noch Reste des weißen Pulvers, das auf der Treppe liegt, vorhanden sind.
„Sieht nach Männerschuhen aus. Bestimmt Schuhgröße 43“, meint Madelaine.
Die beiden Mädchen folgen den Fußspuren die Treppe nach oben. Sie schauen sich um. „Madelaine hier hinten!“, ruft Marie ihre Freundin zu sich, „Ein Buch über Toxikologie, also über Gifte! Und hier sind die Seiten markiert worden. Ein einziges Buch über Gifte neben englischer Grammatik und Fachliteratur…“
„Komm Marie, wir leihen uns das Buch einfach aus“, schlägt Madelaine vor. Marie nimmt vorsichtig und zur Sicherheit mit Handschuhen eine Probe des weißen Pulvers.

    Montag, 17.15 Uhr, Madelaines Zimmer

Die Freundinnen sitzen auf Madelaines Bett und blättern in dem Buch aus der Schülerbücherei. „Also hier ist die Seite über Arsen markiert worden! Hochgiftig und schon in geringer Menge tödlich für den Menschen. Und schau, hier wurde Brom markiert!“
„Also hat jemand Informationen über Brom gesammelt“, stellt Marie fest.
„Und das ist erst interessant! Zyankali, ein weißes lösliches Pulver. Schon 1 mg genügt, um einen Menschen zu töten. Die Anzeichen für eine Vergiftung durch Zyankali sind hellrot blutende Schleimhäute, hat das nicht auch der Sanitäter gesagt?“
„Stimmt! Und die Seiten über Brom und Zyankali sind mit eingeknickten Ecken gekennzeichnet.“ „Glaubst du, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Mord an Frau Stauffert und dem Tod von Herrn Stürmer gibt?“
„Wir müssen herausfinden, ob es bei Herr Stürmer ein Unfall war. Wenn wir in dem Erbrochenen Zyankali nachweisen können, und es auch mit dem Pulver aus der Bibliothek übereinstimmt, wäre es eindeutig kein Unfall“, schlussfolgert Marie.

    Dienstag, 9.16 Uhr, große Pause

Marie und Madelaine haben von Herrn Ruf die Erlaubnis bekommen, die Analyse der Proben im Chemielabor durchzuführen. Mit Hilfe des Toxikologiebuches haben sie herausgefunden, dass sich Zyankali in Verbindung mit Eisen(II)-Sulfat-Lösung blau färbt und so nachweisbar ist. Im Chemielabor mischen sie die Probe des Erbrochenen und die Probe des Pulvers mit der Sulfat-Lösung, die ihnen Herr Ruf freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Beide Proben färben sich blau.
„Das heißt also, Herr Stürmer hat Zyankali zu sich genommen und ist daran gestorben. Aber wie?“, fasst Marie zusammen.
„Warte, ich lese nochmal nach, welche Eigenschaften Zyankali hat. Also: Zyankali ist leicht in Wasser löslich und wirkt schon in kleinen Mengen tödlich für den Menschen. Der Tod tritt wenige Minuten nach der Aufnahme des Giftes ein, man erstickt innerlich, obwohl man atmen kann“, zitiert Madelaine aus dem Toxikologiebuch, „Herr Stürmer hat also irgendetwas zu sich genommen, das Zyankali enthalten hat. Das kann ja alles sein! Davor war schließlich Pause.“
„Aber wenn der Tod wenige Minuten nach der Aufnahme eintritt, muss er ja kurz zuvor das Gift eingenommen haben.“
„Warte! Leicht in Wasser löslich? Herr Stürmer hat doch vor seinem Tod noch Wasser aus seiner Wasserflasche getrunken…“, erinnert sich Madelaine, „Wir müssen diese Flasche unbedingt besorgen und das Wasser untersuchen, dann wäre seine Todesursache klar!“

    Dienstag, 11.13 Uhr, vor dem Lehrerzimmer

„Hallo Frau Möhwald!“ Die beiden Mädchen fangen Frau Möhwald vor dem Lehrerzimmer ab. „Können wir Sie kurz sprechen?“
„Ja, was gibt es denn?“
„Es geht um den Tod von Herrn Stürmer.“
„Oh…“, Frau Möhwald sieht plötzlich sehr mitgenommen aus.
„Es tut uns sehr leid… aber wenn Sie uns vielleicht helfen würden, könnten wir mehr über seine Todesursache herausfinden.“
Frau Möhwald zögert einen Moment. „Na gut, wenn es euch weiterhilft. Was wollt ihr denn wissen?“
„Also, es geht uns hauptsächlich um die Durchsuchung von Herrn Stürmers Sachen, vor allem um die Tasche, die er am Tag seines Todes dabei…“
„Die Sachen habe ich nicht“, unterbricht Frau Möhwald Madelaine, „Frau Steinmassl, seine Frau, hat darauf bestanden, alle seine Sachen so mitzunehmen, wie sie waren – als Erinnerung.“ „Moment. Sie waren doch mit Herrn Stürmer zusammen?“
Frau Möhwald lächelt kalt. „Wir haben es geheim gehalten. Eine Affäre.“
„Vielen Dank für Ihre Hilfe!“, Marie und Madelaine verabschieden sich.

    Mittwoch, 9.17 Uhr, große Pause vor dem Lehrezimmer

Nach langer Überredung haben es die Freundinnen geschafft, dass Frau Steimassl ihnen Herrn Stürmers Tasche gibt, die er an seinem Todestag dabei hatte. Zufrieden, und mit der Tasche in der Hand, machen sich die beiden Mädchen wieder auf den Weg zum Klassenzimmer. „Frau Steinmassl hat echt komisch reagiert. Sie wollte die Tasche gar nicht herausgeben“, meint Marie skeptisch.
„Es sind eben die letzten Erinnerungen an ihren Mann“, verteidigt Madelaine Frau Steinmassl.
„Fassen wir mal zusammen: Zuerst hängt dieses Foto von Frau Möhwald und Herrn Stürmer am schwarzen Brett und die geheime Affäre wird öffentlich. Dann stirbt Frau Stauffert durch Brom, es gibt keinen uns bekannten Zeugen und auch sonst keine Hinweise. Aber vermutlich war Herr Stürmer der letzte, der mit Frau Stauffert geredet hat. Wenig später stirbt Herr Stürmer, vermutlich durch Zyankali, wie er es aufgenommen hat, ist noch unklar. Und dann haben wir noch die Spuren eines Männerschuhs in der Bibliothek gefunden und das Buch über Toxikologie, in dem Brom und Zyankali markiert worden sind. Es ist also gut möglich, dass beide Opfer den gleichen Mörder haben.“
„Mhm… Zuerst sollten wir die Wasserflasche untersuchen“, meint Madelaine.
Im Chemielabor fügen die beiden dem Wasser wieder die Sulfat-Lösung zu. Und tatsächlich: Auch das Wasser färbt sich blau ein.

Lest auf der nächsten Seite, welch schockierende Entdeckung Elias macht…

2 Gedanken zu „Es war doch nur aus Liebe“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert